»Wer sich in die Geschichte der deutschen Nation vertieft, der hat leicht den Eindruck eines unruhigen Lebens in Extremen . Einmal erreichen deutsche Gestalten die höchsten geistigen Höhen, auf denen je Menschen gelebt haben, indessen gleichzeitig trübe Mittelmäßigkeit den öffentlichen Ton beherrscht. Von apolitischer Ruhe wendet Deutschland sich zur aufgeregtesten politischen Tätigkeit, von buntscheckiger Vielgestalt zu radikaler Einheitlichkeit; aus Ohnmacht erhebt es sich zu aggressiver Macht, sinkt zurück in Ruin, erarbeitet sich in unglaublicher Schnelle neuen, hektischen Wohlstand. Es ist weltoffen, kosmopolitisch, mit Bewunderung dem Fremden zugeneigt; dann verachtet und verjagt es das Fremde und sucht das Heil in übersteigerter Pflege seiner Eigenart. Die Deutschen gelten als das philosophische, spekulative Volk, dann wieder als das am stärksten praktische, materialistische, als das geduldigste, friedlichste, und wieder als das herrschsüchtigste, brutalste. Das Land der Dichter und Denker und gleichzeitig die Heimat des "Furor Teutonicus", ein Volk sowohl von furchterregender Effektivität als auch manchmal befallen von einer geradezu rätselhaft-typischen Melancholie, oft auch mit einer von den europäischen Nachbarn als Gefühlskälte empfundenen Pedanterie. „Deutscher zu sein“ ist ein ganz bestimmter Bewusstseinszustand und zwar ein Bewusstseinszustand, den man nicht „haben“ kann, sondern den man sich immer wieder erwerben muss. Er hat ganz sicher etwas mit dem deutschen Idealismus zu tun, der aber heute in anderen Ländern bekannter und auch immer noch aktueller ist, als in Deutschland selbst. Daher ist es so schwierig mit der deutschen Kultur, daher ragen in der deutschen und österreichisch-deutschen Kultur immer nur einzelne Individualitäten heraus, die sich in die Hand genommen haben, während die breite Masse beherrscht sein will... „Ich bin stolz, ein Deutscher zu sein“ sagt der, der seine geistige Orientierung verloren hat, es sagt der, der Furcht hat, Furcht vor dem Kommenden.
Was für ein Leben! Prall, grotesk, absurd
zuweilen, turbulent, nie langweilig, oft auf der Kippe, ein fast
ununterbrochener Tanz auf dem Vulkan und mehr als nur einmal dem Sturz in den
Abgrund nahe. Spannend auch für den, der mit der Musik Wagners nichts anfangen
kann oder seine Werke noch nie gehört hat. Was für eine Zeit, deren
einzigartiger Zeuge Richard Wagner ist.‘ Martin Gregor-Dellin erzählt in seiner
Biografie fast romanhaft vom Leben und Schaffen Richard Wagners. Er berichtet
von seiner Kindheit, die von Kriegswirren und dem frühen Verlust des Vaters
geprägt wurde, von Jugend und Erwachsenenalter, von frühen Kontakten zur Kunst,
von den Einflüssen auf sein Werk, von Rivalitäten und Schicksalsschlägen, vom
Wirken in verschiedenen Städten, von der Entstehung seiner Werke, der
Unterstützung durch König Ludwig II. von Bayern, vom Kontakt mit Friedrich
Nietzsche und Franz Liszt, von Frauen, Schulden, Krankheit, Erfolgen, vom Bau
des Bayreuther Festspielhauses und von Wagners Tod.