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China

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Chinas digitaler Plan für den besseren Menschen

Immer den Zebrastreifen genutzt? Oder Filme raubkopiert? Was wäre, wenn ein Algorithmus all unser Tun kennt und bewertet? China bastelt am neuen Bürger - in drei Jahren soll er da sein.

Aufgepasst: China. Da geschieht gerade Großes. "Das gab es noch nie in der Geschichte der Menschheit, das gibt es noch nirgendwo auf dem Erdball", sagt der Pekinger Professor. "Wir sind die Ersten! Aufregend ist das."

China probiert gerade etwas komplett Neues. Eine Gesellschaft, wie sie die Welt so noch nicht gesehen hat; eine Diktatur, die sich digital neu erfindet. Ein "Amt für Ehrlichkeit", eine App, die einem ausrechnet, ob man ein anständiger Bürger ist, elektronische Ratings, die bestimmen, ob einer noch ein Flugzeug besteigen darf. In China wird gerade mithilfe von Big Data an einem besseren Menschen gebastelt. Einem Menschen nach dem Bilde der Partei. In drei Jahren soll er da sein.

Ist doch ganz einfach, sagt Zhang Zheng, der Professor. "Es gibt gute Menschen, und es gibt schlechte Menschen. Nun stell dir eine Welt vor, in der die Guten belohnt und die Schlechten bestraft werden." Eine Welt, in der der eine stets den Vortritt hat, weil er Vater und Mutter ehrt, immer über den Zebrastreifen geht und alle seine Rechnungen bezahlt.

Hilfe vom Alghorithmus

In der ein solcher Mensch im Zug ein Bett in der luxuriösen "Weich schlafen"-Klasse kaufen darf und bei der Bank Kredit bekommt, der andere aber nicht: der Nachbar, der bei der Hochschulaufnahmeprüfung geschummelt hat, der raubkopierte Filme herunterlädt und dessen Frau trotz Familienplanungspolitik gerade ein vom Staat unerwünschtes Kind zur Welt gebracht hat. Denn ein solcher Mensch ist ein Vertrauensbrecher.

Stellen Sie sich eine Welt vor, in der ein allwissender und allsehender digitaler Mechanismus mehr weiß über Sie weiß als Sie selbst. Ein Algorithmus, der Ihnen dabei helfen kann, sich zu bessern und doch noch ein Ehrlicher, ein Vertrauenswürdiger zu werden. Ein System, das Ihnen dafür billige Kredite verschafft und Zugang zu Regierungsjobs. Wäre das nicht eine gerechte, eine harmonische Welt?

Im Jahr 2020, so Chinas Plan, ist das "System für Soziale Vertrauenswürdigkeit" landesweit erstmals umgesetzt. Das Ziel, in den Worten der Regierung: "Die Vertrauenswürdigen sollen frei unter dem Himmel umherschweifen können, den Vertrauensbrechern aber soll kein einziger Schritt mehr möglich sein."

Schwiegersohn-Schufa vor der Hochzeit

Für das Buch 2 der SZ habe ich sie besucht. Den Wirtschaftsprofessor in Peking, der ganz aufgeregt ist ob der Möglichkeiten des Systems, mit dem man endlich betrügerischen Unternehmen und unehrlichen Zeitgenossen das Handwerk legen könne.

Das "Amt für Ehrlichkeit" im Küstenstädtchen Rongcheng, wo sie in einem Pilotprojekt die Möglichkeiten des Rankings ausloten, wo sie die Menschen einteilen von AAA (Vorbildliche Ehrlichkeit, mehr als 1050 Punkte) bis D (Unehrlich, weniger als 599 Punkte). Wo sie Hundehaufen auf öffentlichem Rasen ebenso mit Herabstufung bestrafen wie das Verbreiten von "Gerüchten" in den sozialen Netzwerken. Und wo Nachbarschafts-Parteisekretär Dong Jiangang stolz berichtet von den Eltern, die zu ihm kämen, um sich vor der Hochzeit des Kindes über den Punktestand von potenziellen Schwiegersöhnen zu erkundigen: Schwiegersohn-Schufa.

Besucht habe ich auch den Schriftsteller Murong Xuecun, der die Rückkehr des Totalitarismus, diesmal im digitalen Gewande prophezeit. Ein schwarzer Spiegel für unsere Demokratien, wo Unternehmen und Behörden ganz eigene Big-Data-Träume träumen. Und eine ganz neue Versuchung für all jene autoritären Herrscher, die George Orwells 1984 nicht als Mahnung lesen, sondern als Gebrauchsanweisung.

 

Totale Kontrolle China testet soziales Punktesystem

Totale Kontrolle China testet soziales Punktesystem

Pluspunkte, wenn du deine Eltern regelmäßig besuchst. Minuspunkte, wenn du deinen Müll falsch entsorgst. Was nach der Science-Fiction-Serie „Black Mirror“ klingt, wird in China real. Wer zu wenig Punkte hat, steigt sozial ab.

Von: Melanie Böff

Stand: 22.05.2017ein sozial Geächteter steht neben einem sozialen Aufsteiger, der viele Pluspunkte gesammelt hat | Bild: BR

Lacie will umziehen, rein in eine schicke Wohnung im Szeneviertel der Stadt. Um sich das leisten zu können, muss sie aber ihr persönliches Ranking verbessern. Im Moment ist sie noch eine 4,2 – für die Wohnung muss sie eine 4,5 werden. Ihr Kampf um den sozialen Aufstieg beginnt.

So geht die dritte Staffel der Serie „Black Mirror“ los. In der Welt von Lacie bewerten sich die Menschen permanent gegenseitig und behandeln sich dementsprechend. Sie heucheln Freundlichkeit vor, um in der Gunst anderer und damit in der eigenen Bewertung zu steigen.

Alles wird gläsern

Eine gruselige Zukunftsvorstellung! In China soll das aber real werden. Bis 2020 soll dort flächendeckend ein sogenanntes „soziales Kreditsystem“ eingeführt werden. Quasi wie die Schufa in Deutschland, allerdings für jeden Lebensbereich. Tausende von Daten werden von jedem Bürger erfasst, systematisch ein- und zugeordnet – bis das Verhalten komplett gläsern ist. Eine völlig neue Form der sozialen Kontrolle.

Jeder Bürger, jede Bürgerin startet mit 1000 Punkten auf dem Konto. Wer sich gut verhält, wird belohnt. Blut gespendet? Pluspunkte. Kindern Nachhilfe gegeben? Pluspunkte. Je mehr Punkte, desto „vertrauensvoller“ und „besser“ der Mensch. So zumindest der Gedanke hinter diesem System. Viele Punkte heißt, mehr Privilegien. Man kommt einfacher an Kredite oder Rabatte und auf dem Amt kommt man schneller an die Reihe.

Wie soll das kontrolliert werden?

Wer sich dagegen nicht „ehrlich“ verhält, wird bestraft. Schwarzgefahren? Punktabzug. Die Eltern nicht regelmäßig im Altersheim besucht? Punktabzug. Unklar ist, wie das bei der Masse genau kontrolliert werden soll – unklar ist auch, wie anfällig das System für korrupte Strukturen ist. Im schlimmsten Fall landet man auf einer schwarzen Liste – und wird lückenlos vom System beobachtet. Besonders stark trifft das Lehrer, Journalisten, Anwälte und Aktivisten. Wer sich in sozialen Medien kritisch gegenüber der Partei äußert oder Petitionen gegen ihre Politik stellt, bekommt Minuspunkte.

Zu wenig auf dem Sozialkonto bedeutet: Man bekommt nur noch schwer Kredite oder eine Versicherung. Seine Kinder darf man nicht mehr auf gute Schulen schicken, ins Flugzeug oder den Schnellzug darf man auch nicht mehr steigen. Der soziale Abstieg vorprogrammiert.

Hin zur IT-Diktatur

In mehr als 30 Regionen des Landes wird das System getestet, dort wird schon belohnt und sanktioniert. Die Begründung: Die chinesische Regierung findet, das Vertrauen zwischen Bürgern, Unternehmen und dem Staat müsse wiederhergestellt werden. Schaffen soll das ein System, das 1,4 Milliarden Menschen in China der totalen Überwachung unterwirft.

Damit bewegt sich China auf dem Weg hin zur IT-Diktatur. Hin zu einem Miteinander unterjocht von einer Punkteskala. Sätze wie – „Nein, dafür müssten Sie eine 4,2 oder höher sein“ – werden dann vielleicht auch außerhalb der Serie „Black Mirror“ fallen.

Konfuzius

Chinesischer Gentest: Stamme ich von Konfuzius ab?

Mit einem Gentest sollen Chinesen künftig beweisen können, dass sie von Konfuzius abstammen. Der Philosoph im Stammbaum ist in China angesagt. Die Aussagekraft des Tests jedoch ist wohl ebenso fragwürdig wie die Familienbande vieler angeblicher Konfuzius-Nachfahren.

In China ist der Konfuzianismus wieder in. Während Maos Kulturrevolution wurde die traditionelle Gesellschaftslehre noch verfolgt. Damals wäre es nicht ratsam gewesen, sich angesichts des Wütens der Roten Garden ausgerechnet als Nachfahre des Urhebers der patriarchalischen Sozialphilosophie zu erkennen zu geben.

Chinesen in Shanghai: Blutsverwandtschaft mit Konfuzius gilt als hip

Heute hingegen tun das eine Menge Chinesen. Konfuzius im Stammbaum gilt als hip. Die Staatsführung fördert die Renaissance des Konfuzianismus nach Kräften, gilt dessen Lehre von Respekt, Selbstdisziplin und Achtung gegenüber Älteren doch als systemstabilisierend.

Außerdem ist die Behauptung leicht geführt, man stamme vom großen K. ab. Wer wollte schließlich das Gegenteil beweisen - lebte der Gesellschaftslehrer doch im fünften Jahrhundert vor Christus.

Zwar wurde der Stammbaum des Kong Qiu - so der bürgerliche Name des Philosophen - bis in die Jetztzeit fortgeschrieben, ein Taiwaner gilt als Nachfahre in der 75. Generation. Die Familie Kong dürfte damit eine der ältesten nachgewiesenen Familien der Welt sein. Doch was ist mit all den Ur-, Urur- und Urururenkeln, die mit der Zeit den Stammbaum arg verbreitert haben? Von - hüstel - illegitimen Sprösslingen der Familie einmal ganz zu schweigen.

Wie die staatliche chinesische Zeitung "Shanghai Morning Post" berichtet, sollen vermeintliche Konfuzius-Nachfahren die Echtheit ihrer noblen Abstammung nun belegen können ohne dafür aufwendige Ahnenforschung treiben zu müssen: Ein Gentest soll Klarheit schaffen. Stolze 1000 Yuan - etwa 100 Euro - soll er kosten. Das ist eine Menge Geld in China, wo das durchschnittliche Bruttosozialprodukt pro Kopf bei etwas mehr als 1000 Euro liegt - im Jahr. Andererseits: Wenn es hilft, eine Blutlinie zu Konfuzius höchstselbst zu belegen…

"Wir wollen den unbestätigten Verwandtschaftsanwärtern helfen ihre DNA zu überprüfen und gleichzeitig eine Datenbank aufbauen", wurde der DNA-Experte Deng Yajun vom Pekinger Genforschungsinstitut der Chinesischen Akademie der Wissenschaften zitiert.

Kong Dewei, Erforscher des Konfuzius-Stammbaums, sagte, es dürfe sehr schwer werden, Blutsbande zwischen dem Philosophen und seinen zahllosen selbst ernannten Nachfahren zu belegen. Diese Skepsis scheint auch deswegen angebracht, weil die Wissenschaftler nicht erklärt haben, wie und woher sie an das Erbgut des Konfuzius gelangt sein wollen, das als Vergleich für das zeitgenössische Material dienen könnte.